tag:blogger.com,1999:blog-32053105760416508212024-03-13T20:35:54.542-07:00blog of motive breathEHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.comBlogger27125tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-805114412612708192016-02-06T04:42:00.000-08:002016-02-06T10:07:56.773-08:00In meiner Loseblattsammlung, Bergen Enkheim, Frankfurt<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://3.bp.blogspot.com/-r7fxtpIzOz8/Vp8-ZF-LJCI/AAAAAAAAAPE/nISU0ubpbU8/s1600/IC.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="222" src="http://3.bp.blogspot.com/-r7fxtpIzOz8/Vp8-ZF-LJCI/AAAAAAAAAPE/nISU0ubpbU8/s320/IC.jpg" width="320" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
Ich habe es nie als Nachteil empfunden, Teile meiner Jugend als sogenannter <i>Trainspotter</i> verbracht zu haben. Meine Begeisterung für die Eisenbahn hatte, wie ich Jahre später bei der erkenntnisreichen Lektüre von Ernst Blochs <i>Prinzip Hoffnung</i> erfuhr, ihre Motivation in einer großen Sehnsucht nach der Ferne, wie sie durch Züge und ihre exotischen Zugläufte repräsentiert wird. So gehörte z.B. der in dieser Hinsicht besonders attraktive <i>Hellas-Express</i> vom Piräus-Hafen in Athen nach Köln zu meinen Lieblingszügen, ich scheute die halbstündige Fahrt nach Mainz nicht, um den D-Zug, angezogen von einer nachtblauen Lokomotive der Baureihe 110 (die mit den traurigen runden Hundeaugen) in die Station einfahren zu sehen und während seines kurzen Aufenthalts zu inspizieren. Als erstes fiel mir der Geruch auf, den der Zug verströmte, ein staubiger, fremdartiger Geruch wie von Haarpomade und rohem Gemüse, in den sich auch noch eine Spur Weihrauch mischte. Die Wagen waren verdreckt von der über mehrere Tage und Nächte währenden Reise, und während des kurzen Aufenthalts war ein starkes Klopfen und Zischen zu hören, das wahrscheinlich auf die Bremsschläuche zurückzuführen war. Das ist aber nur eines von vielen Beispielen, wie die Eisenbahn mein Leben prägte. Zuhause angekommen, spielte ich den <i>Hellas-Express</i> auf der Modellbahn nach, nicht immer einfach, weil in seinen Abteilen keines der praktischen Faltblätter <i>Ihr Zug-Begleiter</i> auslag, in dem Stationen, An- und Abfahrtszeiten sowie die wichtigsten Anschlüsse unterwegs verzeichnet waren. Für seine Details musste ich das allgemeine <i>Kursbuch </i>konsultieren, jenes außerordentlich umfangreiche Kompendium sämtlicher Eisenbahnverbindungen in Deutschland und ganz Europa, das damals noch ausschliesslich im durch die Lackierung der Trans-Europa-Express Züge vertrauten Farbton <i>Weinrot</i> erhältlich war. Die Eisenbahn beeinflusste aber auch meine ästhetische Vorstellung von einer geglückten Zukunft. Massgeblich stilprägend für meine Imagination eines gelungenen Erwachsenen-Daseins war dabei ein Werbefolder zu dem gerade eingeführten Netz aus <i>Intercity</i>-Verbindungen. Darin sah man einen Geschäftsreisenden mit Schnurrbart und Lesebrille tiefenentspannt in einem jener Großraumwagen-Schalensessel ruhen, die zu den bequemsten Reisefauteuils zählten, die man sich damals vorstellen konnte. Sie waren mit gestreiften Samtbezügen und Weiß auf Weiß karierten Kopfkissen ausgestattet, und konnten, das war die Sensation, je nach Fahrtrichtung 180 Grad gedreht werden, was wegen der immer noch zahlreichen Sackbahnhöfe und Richtungsänderungen der Züge auch Sinn machte. Der Geschäftsreisende mit dem milden Lächeln in seinen Gesichtszügen las in der F.A.Z., und auf dem nächsten Bild, das seinen cognacfarbenen Aktenkoffer geöffnet in einem Abteilwagen zeigte, was der erfahrene Reisende an dem dunkelblauen Samtbezug der Kissenpolster zu erkennen vermag, war zu erkunden, was sonst noch zu seiner Grundausstattung zählte: Granny Smith Apfel, Taschenrechner (wahrscheinlich von <i>Texas Instruments)</i>, Bleistift, Papiere, Kugelschreiber und ein wie der Koffer selbst aus Leder gefertigter Flachmann für einen stärkenden Schluck vor oder nach seinen Terminen (ich war mir damals nicht so sicher). Jedenfalls brannte sich das Bild dieser so gestalteten Existenz tief in mein Wunschdenken ein, und als ich den Folder neulich wiederfand, hat mich nicht nur der Anblick des eleganten Weinrot-Beigen Intercitys, der auf dem ersten Bild durch ein frühlingsgrünes Deutschland rollt, mit tiefer Freude erfüllt, sondern das gesamte <i>moodboard</i> der versponnenen Ideen meiner Adoleszenz erstand vor mir, wie es bei <i>Daft Punk</i> heißt: "like the legend of the Phoenix".</div>
<br />EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-51823812464160632502016-01-20T16:00:00.003-08:002021-11-13T13:01:24.123-08:00Aus meinem Stammbaum, Bergen-Enkheim, Deutschland<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://4.bp.blogspot.com/-Jpj1enlD5uo/Vp3sp_a_8DI/AAAAAAAAAO0/KYFtWx84uiA/s1600/446px-Christian_Ernst_Schelm_von_Bergen.jpg" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://4.bp.blogspot.com/-Jpj1enlD5uo/Vp3sp_a_8DI/AAAAAAAAAO0/KYFtWx84uiA/s320/446px-Christian_Ernst_Schelm_von_Bergen.jpg" width="238" /></a></div>
Wir werden, was wir sind. Oder, anders gefasst, wir sind, wo wir herkommen. Abstammung, das weit verzweigte Gefüge eines Stammbaums als naturalistisches Abbild unserer Herkunft, ist im Grunde die unmissverständlichste Form der Herleitung, mit einem ausnahmsweise mal ganz unkomplizierten Dreisatz: Aus zwei Eltern wird ein Drittes, das Kind, und wenn das Kind dann später aufwächst und in das rebellische Alter kommt und sich umdreht und im Zorn zurück schaut, warum es denn bitte so ist wie es ist, oder warum das so sein muss, dann steht da einfach nur ein Diagramm, in dem zwei bis dahin getrennte Pfade sich vereinen und zwangsläufig in einen selbst münden, und das geht einfach so weiter und wird immer weiter nach oben hin. Mit jeder der einem vorangegangenen Generationen bekommt der Baum mehr Verästelungen, man ist dann vielleicht gerade noch Achtel Norweger oder hat etwas Preussen im Blut oder fühlt sich mit Recht ein wenig mehr norddeutsch als irgend etwas sonst. Immer vereint ein Neues zwei bis dahin getrennte Linien und bereitet die nächste Abzweigung vor. Aber wie heißt es so schön bei Blumfeld? <i>Ich weiß gar nicht wie das gehen soll, sich vereinigen</i>. Deswegen ist es auch keine Überraschung, dass sich so mancher der <i>ewigen Wiederkunft des Gleichen</i> (Nietzsche) verweigert und den nie persönlich unterzeichneten oder in Abwesenheit von einem anderen für uns geschlossenen Generationenvertrag einfach aufkündigt. Wie singt es Morrissey noch irgendwo?<i> I am the end of the family line</i>. Oder nehmen wir eine der berühmtesten Stellen der Literatur, in der Hanno Buddenbrook in der Familienchronik einen Strich unter seinen Namen setzt und auf Nachfrage seines entsetzten Vaters erklärt, "<i>ich glaubte... es käme nichts mehr"</i>. Meine Großmutter hat mir schon früh von dem alten Bergener Geschlecht der Schelme erzählt und wie eine ihrer Vorfahren, eine Dorothea zu Schelm von Bergen, in direkter Linie von dem ersten Schelm abstammt, über den auch Heinrich Heine einst ein ganz hübsches Gedicht geschrieben hat, die Handlung aber dann sinnigerweise nach Düsseldorf verlegt hat, wo die uns am nächsten stehende Verwandte, Tante Anneliese, schon wohnt so lange ich denken kann. Warum Heine seine Ballade trotz des geographischen Winkelzugs "Schelm von Bergen" genannt hat, kann ich mir nicht erklären. Die Geschichte ist weitgehend bekannt: Der Scharfrichter mit zugehörigem Galgen vor Ort in der bis heute erhaltenen <i>Berger Warte</i>, ein immer noch gruseliger Ort, an dem wir unter anderem meine Kindergeburtstage zu feiern pflegten, begibt sich zum Maskenball an den Hof des Kaiser in Frankfurt. Heine beschreibt ihn als <i>schlanken Fant</i>, ein wunderbares Wort, und weil er so gut tanzt, <i>so höfisch und behendig</i>, tanzt die Frau des Kaisers, bei Heine ist es dann die des Herzogs im Schloss zu Düsseldorf, die ganze Nacht allein mit ihm. Wir haben es also mit einer literarischen Figur zwischen Thomas Manns Hochstapler Felix Krull und dem durch Stanley Kubricks <i>Eyes wide shut</i> wieder in Erinnerung gerufenen ungebetenen mittnächtlichen Festgast aus Arthur Schnitzlers Traumnovelle zu tun. Mit dem kleinen Unterschied, dass der Schelm im Gedicht nicht um sich selbst und seine Demaskierung fürchtet, sondern um die Entehrung seine Tanzpartnerin, weil er als Galgenmann am Hofe eben fehl am Platz ist. Aber all sein Flehen darum, ungesehen das Fest zu verlassen, bleibt unerhört. Als um Mitternacht die Masken fallen, lässt sie ihn nicht gehen, weil sie, und da gibt Heine dem Geschehen eine mehr als unterschwellige erotische Note, <i>sein Antlitz zu schauen </i>"begehrt". Die schöne Herzogin will unbedingt dem Mann ins Gesicht sehen, der sie <i>laut und beständig</i> zum Lachen gebracht und so herrlich durch alle Tänze des Abends geführt hat, sie will die <i>Maske von schwarzem Samt</i> fallen sehen, hinter der <i>gar freudig blicket/Ein Auge, wie ein blanker Dolch/Halb aus der Scheide gezücket.</i> Als sie, weil er zu sehr Gentleman ist um ihr entschlossen entgegenzutreten, schließlich wild entschlossen <i>zuletzt ihm mit Gewalt </i>die Maske vom Kopf reisst, wird der Mann, auf diese Weise unfreiwillig decouvriert, sofort als Scharfrichter von Bergen erkannt, und es bleibt dem Kaiser/Herzog nur die Wahl, entweder seine Frau als entehrt anzusehen oder den Mann zu adeln, um ihr Gesicht zu wahren. Er schlägt ihn, natürlich auf höfische Etikette bedacht und um den Skandal zu vermeiden, zum Ritter. <i>So ward der Henker ein Edelmann /Und Ahnherr der Schelme von Bergen /Ein stolzes Geschlecht! Es blühte am Rhein/Jetzt schläft es in steinernen Särgen.</i> So endet Heine seine Ballade, und in der Tat, der letzte Vertreter der Ahnenlinie, der zu Heines Zeit noch am Leben war, der oben abgebildete Christian Ernst Schelm von Bergen, starb zwei Jahre vor der Datierung des Gedichts als pensionierter Hauptmann aus den napoleonischen Kriegen. Wie er nun mit Dorothea zu Schelm von Bergen genau verwandt war, hat mir Großmutter Emilie nie erklärt, nur dass die zwei blutroten Rippen, die das ansonsten makellos weiße Wappen von Bergen, meiner Heimatstadt, zieren, ihr stets aus verwandtschaftlicher Nähe sehr zu Herzen gegangen sind.<br />
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<a href="http://1.bp.blogspot.com/-hKF_3WLDNAU/VpwyZJ6mZ8I/AAAAAAAAAOk/moo40ib0wvI/s1600/324.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><span style="font-family: "times" , "times new roman" , serif;"><img border="0" height="320" src="http://1.bp.blogspot.com/-hKF_3WLDNAU/VpwyZJ6mZ8I/AAAAAAAAAOk/moo40ib0wvI/s320/324.jpg" width="320" /></span></a></div>
<span style="font-family: inherit;">Manche Bilder erregen unsere Aufmerksamkeit, obwohl wir nicht sofort sagen können, warum. Als ich mehr oder wenig zufällig während einer <i>Google</i>-Bildsuche auf jenes lange verschollen geglaubte Gemälde von Max Liebermann stieß, war ich unmittelbar begeistert. Es entzieht sich komplett meiner Erinnerung, welche Stichworte ich eingegeben hatte, aber auf einmal war es da. Vom Titel "Jäger in den Dünen" her könnte man annehmen, ich hätte meine Suchanfrage wenigstens einem der beiden Schlagwörter gewidmet, aber ich kann mir beim besten Willen nicht herleiten, auf welcher Recherche das geschehen hätte sollen. Obwohl ich mich, nicht erst seit der Lektüre des Meisterwerks <i>Über die Jagd</i> von <span style="background-color: white; line-height: 18.2px;">José </span><span style="background-color: white; line-height: 18.2px;">Ortega</span><span style="background-color: white; line-height: 18.2px;"> y Gasset,</span> für die Jagd interessiere, die, so Ortega, uns zurück entführt in eine ursprüngliche Welt, in der es mehr auf den Instinkt als auf Vernunft und das Denken ankommt. In dieser Welt feiert der Jäger, darin dem Objekt seiner Jagd, dem Tier, sich annähernd, eine Art, wie Ortega es nennt, "Ferien vom Menschsein", was ihm einen tieferen Sinn des Daseins erschließt und so ein Glück erfahren läßt, das im Ennui der Zivilisation verloren gegangen ist. Weil er, auch darin dem Tier gleich, nach dem er jagt, die Witterung aufnimmt und dafür sein gesamtes Sensorium in Anspruch nehmen muss, das viel zu oft im Alltag brach liegt, obwohl es uns seit über 15.000 Jahren, in die DNA eingeschrieben ist und unsere Verbindung zu den Anfängen der Menschheit bildet. Und auch die Dünen sind seit den Kinderferien am Meer eine meiner Lieblingslandschaften, die ich nicht müde werde, bewundernd zu betrachten, von der Farbpalette bis zur Struktur aus Sand und Gras, den Aromen und ihrer Natur als Landschaft, die unaufhörlich, von Wind und Wetter gezeichnet, ihre Form verändert und so wie kein anderes geographisches Phänomen zur sinngemäßen Entsprechung der nomadischen Existenz taugt, die mich ebenfalls seit Jahren, als Kontrapunkt zur Sesshaftigkeit unserer Lebensentwürfe, immer wieder beschäftigt. Nichtsdestotrotz habe ich nach keinem der beiden Themen gesucht, es bleibt also ein Rätsel, weshalb das Bild angespielt wurde wie ein Song aus der Jukebox des Zufallsgenerators, der überraschenderweise exakt unseren Musikgeschmack trifft, wie es in neuester Zeit manchmal auf <i>Youtube</i> vorkommt, wenn man ein Stück sucht und nebenan in der Leiste auf einmal ein Video auftaucht, das auf den ersten Blick nichts mit der logischen Reihung der Titel zu tun zu haben scheint. Wenn man dann auf diese Weise einen bis dato unbekannten Künstler entdeckt, kann das zu überraschenden Offenbarungen führen wie gestern, als ich in der <i>Mixcloud</i> eine neue Zusammenstellung des Chillout-Gotts Mixmaster Morris hörte, den ich vor Jahrzehnten einmal im Hamburger </span><span style="font-family: inherit;">Klub </span><i style="font-family: inherit;">Purgatory</i><span style="font-family: inherit;"> kennenlernen durfte. Mitten im zweiten Teil seines Sets auf der Provo Afterparty Sapporo spielte er plötzlich "Fordlandia (Aerial View)", ein Werk des großen isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson, dessen Musik von einer nahezu ausserweltlichen Traurigkeit und Schönheit ist und der leider 2014 für seinen Soundtrack zu "The Theory of Everything" keinen Oscar gewonnen hat, obwohl er nominiert war. Genau so kam ich auf einmal, per Zufall, zu "Jäger in den Dünen", ein Bild, das Max Liebermann, wie ich herausfand, einem holländischen Tabakmagnaten zu verdanken hat, dem er 1913 in Noordwijk einen Besuch abstattete, wo dieser eine Jagdhundeschule betrieb. Obwohl Farbton, Atmosphäre und Sujet der zwei im gleichen Jahr, eventuell sogar vor Ort entstandenen Jagdstücke in den Dünen dem Bild oben ähneln, sticht das ein Jahr später vollendete aus der Serie heraus. Was alle Arbeiten dieser Zeit eint, ist, wie Erich Hancke 1914 erkennt, eine "Kühnheit und Einfachheit", die den Auftrag des Impressionismus bis hin zur absoluten Mimikry der Materialität erfüllt. Das, wie oft bemerkt wurde, nahezu gespachtelte Auftragen der Farbe auf eine rauhe Leinwand, die selbst wie ein Sandgrund hier und da durchleuchtet, der heftige Duktus seines Pinsels, der den Naturgewalten von Wind und Wogen nachempfunden scheint wie das im Sturm hin- und herwehende Dünengras. Diese Maltechnik fasste der Monograph Hancke begeistert wiefolgt: "Er mischte seinen Ton schnell und fast ohne hinzusehen, setzte ihn mit einem energischen Hieb auf die Leinwand und rannte sechs Schritt zurück, um die Wirkung zu beurteilen. Da er den Pinsel sehr voll Farbe nahm und auf der Palette nicht fest durcheinandermischte, konnte er eigentlich niemals genau wissen, was er darin habe, und seine Malerei war immer ein Benutzen von Zufälligkeiten." Der Maler vertraute also auf ein ähnliches Prinzip wie das, was mich letzten Endes zu seinem Bild geführt hatte. Was das Bild selbst anbetrifft. so scheint es die oben umrissenenen Thesen von </span><span style="background-color: white; font-family: inherit; line-height: 18.2px;">Ortega</span><span style="background-color: white; font-family: inherit; line-height: 18.2px;"> y Gasset</span><span style="font-family: inherit;"> zu bestätigen. Der Jäger geht nicht nur, was die Farbpalette seiner Kleidung anbetrifft, problemlos in der Landschaft auf, deren Gewicht durch den verschwindend schmalen Seehimmel im Hintergrund noch betont wird. Auch Gesicht und Hand nehmen Akzente der Sandfarben auf, das braune Haar findet sich in der schraffiert angedeuteten Fauna des Dünentals wieder, und selbst die Flinte schimmert als Spiegelbild des silbrigen Himmels, behutsam integriert durch die Richtung, in der sie angewinkelt ist, parallel zum Horizont und den Farbstrichen der Landschaft gesetzt. Die Ode an die Schattierungen der Farbe Grün ist vielleicht auch deswegen so perfekt gelungen, weil sie aus der Erinnerung, ein Jahr später, gemalt wurde und so mehr von einem Ideal hat, einer Art philosophischen Komposition, die selbst den dunklen Hut des Jägers nicht ohne Entsprechung eines Schattens im Vordergrund lässt wie auch den strahlend weißen Hemdkragen, der sich in nahezu identischer Dimension auf gleicher Höhe als aufblitzendes Stück Sand wiederfindet. Als er 1913 zusammen mit dem Kunsthändler Paul Cassirer und einem Journalisten die Hundeschule besuchte, war er, wie es heißt, "begeistert von der Leichtigkeit, mit der ein schottischer Trainer eine Meute von 32 Hunden durch die Dünen führte", ein Umstand, der sich in der Eleganz der Darstellung niederschlägt, dem leicht angewinkelten Bein des Jagdmanns, dem lockeren Fall seines Jacketts und der vollendeten Komposition im Allgemeinen. Das Gemälde, das Liebermann 1914 bei Paul Cassirer ausstellte und dessen Spur sich kurze Zeit später bereits verliert, galt bald offiziell als verschollen, tauchte knapp 70 Jahre später in einer britischen Privatsammlung wieder auf und wurde 2004 von der Galerie Paffrath in Düsseldorf für 69000 Euro angeboten. Nur eines bekommt man im Internet nicht heraus: wer es gekauft hat, wohin seine Reise weiterging und wo man es heute betrachten könnte, wenn es denn ein Museum war, das den sicher als Spottpreis zu betrachtenden Geldbetrag investiert hat. Das macht einen dann doch traurig.</span>EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-14013331851869855122016-01-15T19:28:00.002-08:002016-01-15T19:29:43.291-08:00Über dem Good Harbour Bay Trail, Michigan, USA<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://1.bp.blogspot.com/-7rwUaW-qVfY/VpmxoGTEqqI/AAAAAAAAAOU/xP6ytocbRo8/s1600/Screen%2BShot%2B2016-01-12%2Bat%2B1.52.25%2BAM.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="181" src="http://1.bp.blogspot.com/-7rwUaW-qVfY/VpmxoGTEqqI/AAAAAAAAAOU/xP6ytocbRo8/s320/Screen%2BShot%2B2016-01-12%2Bat%2B1.52.25%2BAM.png" width="320" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
Wie glücklich Farben machen können, erschließt sich erst, wenn sie vom Sonnenlicht selbst gemalt werden. Das Gelb der Blätter, das ich auf einem Spaziergang vom Little Traverse Lake in die Bucht von Good Harbour in Michigan entdeckte, war an sich schon unglaublich schön, zwar etwas fahl und ohne jede Röte, dafür mehr ins schwärzlich getönte Ende der Palette changierend, jedoch bereits von einer Leuchtkraft, die kein künstlich hergestellter Farbton, wie er seit Neuestem per EU Norm 471 an Autowarnwesten zu finden ist, je erreichen wird. Seine Tiefensättigung erreichte das Gelb aber erst beim Hinaufblicken in den Baum, dessen vom Himmel her illuminierte Blätterpracht sich wie ein leuchtendes Schutzschild über den Weg spannte. Weil die Sonne nur hinter sehr hohen Altostratus Wolken schien, war es möglich, über längere Zeit nach oben zu schauen ohne geblendet zu werden. Das Schauen tat gut, ganz so, als als habe das Sinnesorgan selbst ein eigenständiges ästhetisches Urteil getroffen und gebe nun dem Rest des Körpers zu verstehen, es ihm, dem Auge, gleich zu tun. </div>
<br />EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-48701518763888651962016-01-13T17:59:00.003-08:002016-01-14T00:53:03.069-08:00An der Küchenwand, Dantestrasse 3, Heidelberg, Deutschland<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://2.bp.blogspot.com/-4R8iYs0OlcA/VpbphggOSyI/AAAAAAAAAOE/qtdA7bIZZ5w/s1600/Kitchen.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="http://2.bp.blogspot.com/-4R8iYs0OlcA/VpbphggOSyI/AAAAAAAAAOE/qtdA7bIZZ5w/s320/Kitchen.jpg" width="222" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
Der besondere Raum, den die Küche in unserem Leben einnimmt, hat nur auf den ersten Blick etwas mit den Notwendigkeiten zu tun, die mit der Ernährung einhergehen. Man könnte ja theoretisch auch einfach jeden Tag essen gehen, und so das Restaurant zur Ersatzküche machen, wie das Hotelzimmer für manche Schriftsteller, allen voran den weisen Vladimir Nabokov, zur Idealwohnung wurde. Wie befreiend muss es sein, ohne den ganzen persönlichen Ballast zu existieren, der sich über die Jahre in jedem Haushalt aus dem Nichts ansammelt, und so, ohne einen Finger zu rühren, die Konzentration auf das Wesentliche in absoluter Mühelosigkeit zu erreichen, einfach Kraft der Abwesenheit jeglicher Zerstreuung. In Ermangelung von Aufgaben wie Aufräumen oder Wäsche führe jeder Tagesablauf direkt an den Schreibtisch und zur anstehenden Arbeit in der Welt der Kunst und Phantasie, die Arno Schmidt in einem zweisprachigen Zitat einmal als die wahre bezeichnet hat: <i>the rest is a nightmare. </i>Und er hat Recht. Nur in Selbstvergessenheit heisst man die Pflicht, die, wie Max Frisch es einmal in einem anderen Zusammenhang nennt, "Forderungen des Tages", willkommen und vergisst darüber wohlwollend die Tatsache, dass selbst jede noch so kleine Kür einen Anlauf braucht, der nicht daraus besteht, dass man sich mal schnell <i>en passant </i>beim Wäsche aufhängen ein paar Gedanken macht und dann den Schreibbeginn doch wieder bis ins Unerträgliche hinaus zögert. Wie mein Lehrer Dr. Stefan Buck es nicht müde wird, bei jedem unserer Telefonate einzufordern: <i>Nulla dies sine linea.</i> Kein Tag ohne Linie (des zeichnenden Künstlers) bzw. Zeile (des schreibenden Dichters). So legt es Plinius der Ältere bekanntlich dem Maler Appeles in den Mund. Nur das tägliche Praktizieren hilft dem Künstler beim Überleben, regelmäßige Geistesexerzitien allein sind es, die ihn voranbringen. Als man Appeles fragte, warum er so lange an seinen Bildern male und immer wieder Korrekturen vornehme, ist von ihm folgende, fast schon lakonische Antwort, überliefert: ich male für die Ewigkeit. Eingedenk der Tatsache, dass Botticellis' Geburt der Venus angeblich direkt auf die Werke des altgriechischen Malers Bezug nimmt, eine durchaus nachvollziehbare Selbsteinschätzung. Was aber hat all das mit der Küche zu tun? So wie die Küche das Herz jeder Party ist, für die Ewigkeit fixiert in Jona Lewies Synthie-Hit von 1980 <i>You'll always find me in the kitchen at parties</i>, weil sich dort, vom Tanzzwang befreit, das kommunikative Potential einer Feierbekanntschaft voll entfalten kann und hier sämtliche Gäste auf der Suche nach Getränken oder Treibstoffen des Festes vorbeikommen müssen und so automatisch der Gesprächsstoff nie wirklich versiegt, stellt die Küche auch für den Künstler einen utopischen Raum dar, weil sie das Leben selbst repräsentiert, dessen Abbild zu schaffen er sich sehnt wie nichts sonst. In der großen Altbauküche einer Heidelberger Hausgemeinschaft, der angehören zu dürfen ich das Glück hatte, hing eine Küchenheilige über der Heizung neben dem Herd, die mir wie die Schutzpatronin dieses Phänomens erschien: Sie schält wohlfrisiert in einer Schürze, die sie über dem Twinset anbehalten hat, Kartoffeln in einen mit Prilblumen verzierten Topf. Hinter ihr leuchtet die Sonne der Küchenwelt, die keine Tages- oder Nachtzeit kennt, wie der Raum, den sie bescheint. Die Küche der Dantestrasse war das häusliche Äquivalent der Nachttankstelle, weil sich in ihr rund um die Uhr die unglaublichsten Geschichten ereigneten, Geschichten von Liebe und Verrat, Glanz und Elend, Rache und Glück, von denen wir noch heute, Jahrzehnte später, zu zehren im Stande sind, weil sich der Mensch nicht vom Brot allein ernähren kann, aber der <i>nourriture</i> der <i>narration </i>bedarf, um nicht geistig zu verhungern und darüber nahezu verrückt zu werden wie ein Held von Hamsun.</div>
<div>
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EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-22683355497739865402016-01-12T17:03:00.001-08:002016-01-13T01:47:29.043-08:00Hinter der AGIP-Tankstelle, Bergen-Enkheim, Deutschland<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://1.bp.blogspot.com/-Z5lb6nOVZWU/VpWRT3oXeqI/AAAAAAAAANs/EPfQOS8mhYI/s1600/IMG_0977.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="http://1.bp.blogspot.com/-Z5lb6nOVZWU/VpWRT3oXeqI/AAAAAAAAANs/EPfQOS8mhYI/s320/IMG_0977.jpg" width="320" /></a></div>
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Landschaften, die man täglich zur selben Zeit sieht, gewinnen durch die Wiederholung eine nahezu hypnotische Qualität. Irgendwann verschwimmen Tage, Wochen und ganze Monate wie Jahreszeiten in einem Malstrom aus Eindrücken, in dem nur ganz besondere Ereignisse herausstechen und sich im Gedächtnis festsetzen. Die Tankstelle an der Vilbeler Landstraße auf dem Weg zur Berger Warte, die ich bequem zu Fuß erreichen kann, führt den besten Kaffee im Ort, so dass sie zum allmorgendlichen Fixpunkt meines Lebens geworden ist. Hinter dem Gastraum, direkt vor der Waschanlage, befindet sich eine kleine Sitzecke, in der man im Sommer in der Sonne auf die Reinigung seines Fahrzeugs warten kann. Von dort aus öffnet sich der Blick auf eine weite Wiese, die mal einer Schafherde als Weidegrund diente, dann wieder einen beträchtlich großen Schwarm Elstern beheimatete und in der Hitze des Juli auch von einem getreuen Pferdepaar zum Grasen auserwählt wurde. Vom Moment an, da ich das Paar zum ersten Mal erblickte, konnte ich die Augen nicht mehr von ihm lassen. Ich wußte nicht, was genau es war, das mich so faszinierte, machte aber innerhalb kürzester Zeit mit meinem iPhone so viele Aufnahmen, dass die schönsten Ausschnitte und Posen der eigentlich hintereinander, genauer gesagt nur einen Pferdekopf lang nebeneinander stehenden Tiere aus lauter Begeisterung mit dem wischenden Finger ins Videoformat verrutschten. Was man in der Abfolge der Bilder sieht, ist das Hin- und Herwedeln der Schweife, das Auf und Ab der Köpfe, die teils am Gras und teils am Fell des anderen knabberten und so ein bewegliches Stilleben der Eintracht und Symbiose darstellten. Das Motiv, das daraus entstand, verschränkt den braunen Hengst mit der beigen Stute zur Metapher einer Innigkeit, die selbstvergessen einfach nur die Anwesenheit des Anderen wohlwollend registriert und so ein rares Glück des Daseins zu bedeuten scheint. Wunschloses Glück, sozusagen, oder das Glück der Wunschlosigkeit, an keinem anderen Ort mit niemandem sonst sein zu wollen. Handkes <i>Versuch über den geglückten Tag</i> beschreibt in selten schöner Sprache die "Line of Beauty and Grace" aus einem Selbstportrait des Malers William Hogarth mit seinem Mops, die Peter Handke während des Durchfahrens einer Kurve mit einem Pariser Vorortzug bei Suresnes wiederzuerkennen glaubt. "An dem geglückten Tag werde ich rein sein Medium gewesen sein, mich von der Sonne habe bescheinen, vom Wind anwehen, vom Regen anregnen lassen, mein Zeitwort wird 'gewährenlassen' gewesen sein." Was bei Hölderlin im Gedicht <i>An die Parzen</i> noch im Satz "Einmal lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht" zusammengefasst ist, der den Sommer und den Herbst des reifen Gesanges am Ende beschließt, wenn ihm das "Heilige, das am Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen" ist, also die Sehnsucht sich im geglückten Werk manifestiert und erfüllt hat, wird bei Handke zur beruhigenden Utopie einer sich selbst erzählenden Welt, die prinzipiell des Autors nicht mehr bedarf. Er wird zum Medium der Betrachtung einer Schöpfung, die sich als Narrativ ihre eigenen Schönheit verwirklicht. Die Pferde auf der Wiese sind für mich seit jenem Julimorgen die perfekte Entsprechung dieser Idee.</div>
EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-69295968570579491212016-01-11T18:23:00.002-08:002016-01-13T01:42:47.501-08:00In meinen Gedanken heute, unentwegt<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://4.bp.blogspot.com/-Wk0dgVOKqYk/VpRQ8M9n97I/AAAAAAAAANc/mdGjR_-7uV0/s1600/cd00692c3bfe59267d5ecfac5310286c_medium.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="http://4.bp.blogspot.com/-Wk0dgVOKqYk/VpRQ8M9n97I/AAAAAAAAANc/mdGjR_-7uV0/s320/cd00692c3bfe59267d5ecfac5310286c_medium.jpg" width="231" /></a></div>
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Philosophieren heißt sterben lernen, so hat es einmal Michel de Montaigne formuliert. Und gleich dazu, in seinen immer wieder bereichernd zu lesenden Essais, eine Empfehlung dazu gegeben, wie das im Alltag zu verstehen ist: "<span style="background-color: white;"><i>Berauben wir den Tod zunächst seiner stärksten Trumpfkarte, die er gegen uns in Händen hält, und schlagen wir dazu einen völlig anderen als den üblichen Weg ein: Berauben wir ihn seiner Unheimlichkeit, pflegen wir Umgang mit ihm, gewöhnen wir uns an ihn, bedenken wir nichts so oft wie ihn! Stellen wir ihn jeden Augenblick und in jeder Gestalt vor unser inneres Auge.</i>" Es muss als Akt ausserordentlicher Willenskraft und Haltungsstärke gewertet werden, wenn ein Mensch mit der Diagnose einer tödlichen Krankheit, also im Angesicht seines ausweglosen Endes, nicht aufgibt oder in Selbstmitleid verfällt, sondern vielmehr den Tod umarmt und ihm im gleichen Moment hohnlacht, indem er mit einem letzten vollendeten Kunstwerk seine Ankunft in eine Feier des Lebens verwandelt, die erst im Nachhinein als Epitaph an sich selbst verstanden werden kann. Natürlich geht es um David Bowie und sein letztes Album "Blackstar", dessen Titel nun, da wir wissen, dass er wusste, eine ganz besondere Bedeutung gewinnt. Nicht nur der von einer Sonnenfinsternis verdunkelte Planet wie im Video zu "Blackstar" mit der brillanten, gleichsam an die große Stummfilmzeit in Deutschland gemahnenden Idee, Knöpfe über einem Kopfverband als bizarr verfremdende Augensymbole zu verwenden. Sondern auch der Stern des Todes als Gegenbild zum nicht existierenden Paradies und der zu erwartenden Dunkelheit dort. Jemand, der sich allein im Hier und Jetzt sieht, weil er nicht an ein Jenseits glaubt und daher das lateinische <i>Carpe Diem</i> zum Motto seines Lebens gemacht hat, entwickelt natürlich eine ganz andere Einstellung zum Tod. </span>“Make the best of every moment. We’re not evolving. We’re not going anywhere.” Das widerspricht nur auf den ersten Blick der Raumschiff-Welt in Bowies berühmtesten Liedern, indem es die Utopie des anderen Ortes, zu dem wir hoffnungsvoll aufbrechen, sei es der Mars oder eine unbekannte, ferne Galaxie, in Abrede stellt. Vielmehr macht das Zitat umso deutlicher, dass Major Tom und seine anderen Helden niemals auf einem anderen Planeten waren, sondern nur völlig vereinsamt <i>in splendid isolation</i> ihr kaltes, einsames Leben Lichtjahre von den anderen entfernt, als Menschmeteore und Junkies auf der Erde fristeten. Das Verschweigen der Krankheit ist der Triumph seiner Haltung, auch den Abtritt von der Bühne als Souverän zu gestalten. Ein Künstler, der seinen Baudelaire gelesen hat, der in den Tagebüchern einmal den berühmten Satz schreibt:<i> "Der Dandy muss sein ganzes Streben darauf richten, ohne Unterlass erhaben zu sein, er muss leben und schlafen vor einem Spiegel.“</i> Als ich vor kurzem im Frankfurter Zoom den Bowie-Verehrer Robert Forster spielen sah, musste ich an eine wunderbare Geschichte denken, die er einmal während eines Interviews erzählt hat: Als er 1981 im Zentrum von Sydneys Subkultur wohnte, dem bohemischen Darlinghurst, das er mit den Go-Betweens in einer grandiosen Hymne musikalisch verewigt hat, lief Forster eines Morgens die Victoria Street hinunter und ihm kam im noch menschenleeren Viertel wie in einem Western direkt ein Mann entgegen. Es war der Sänger Mark Hunter von der australischen Band <i>Dragon</i>. Und trotz aller Herrgottsfrühe: "He looked fantastic. Tall, thin black hair. Cheek burns, clean shaven. Clothes completely right. Probably only out to get milk and the paper. But he was ready. He knew. He could have gone on stage anytime. And he was teaching me a lesson: Being a rockstar is a 24 hour a day job. No track suit, no pants or thongs. That's attitude. That's the way to carry yourself." Und das gilt selbstredend auch für Bowie, der selbst auf einem überraschend aufgenommenen Polizeifoto 1976 in Amerika so gut aussah, dass man sofort an ein verschollenes Plattencover glaubt. Godspeed, David.</div>
<!--EndFragment-->
EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-19936495649477484082016-01-10T18:10:00.000-08:002016-01-10T18:10:48.021-08:00Auf meinem Schreibtisch, Bergen-Enkheim, Deutschland<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://2.bp.blogspot.com/-42WuOSZK72Y/VpL8pbDB9NI/AAAAAAAAANM/55RVoyEu_Yg/s1600/IMG_2249.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="133" src="http://2.bp.blogspot.com/-42WuOSZK72Y/VpL8pbDB9NI/AAAAAAAAANM/55RVoyEu_Yg/s320/IMG_2249.jpg" width="320" /></a></div>
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Inspiration ist überall. Aber nirgendwo sonst auf der Welt manifestiert sie sich in so konzentrierter Form wie in Japan. Jeder noch so kleine Alltagsgegenstand scheint durchdrungen von der höchsten Stufe der Subtilität, einem ästhetischen Selbstverständnis, das nur dann entsteht, wenn ein Ritual so oft exerziert wurde, dass beim Betrachter als bleibender Eindruck und Resultat der unermüdlichen Praxis eine nie zuvor gekannte Mühelosigkeit entsteht. Auf der Rückseite dieser wunderbaren Box mit Räucherstäbchen, die meine Mutter heute im hintersten Winkel einer Schublade ihres, wie sie es im Jargon der Zeit immer nennt, <i>Sideboards</i> gefunden hat, und die dort bestimmt seit den Siebziger Jahren unbeachtet lag, steht eine Aussage, die nur in Japan so formuliert werden konnte, natürlich für den internationalen Markt gedacht: "For a home with a gracious personality, nothing is more effective than 'Muse' incense." Allein, dass vom Heim selbst wie von einer Person gesprochen wird, zeigt den pantheistischen Zauber, der von diesem tollen Produkt ausgeht, wie die nahezu waagerecht ausströmenden Duftwolken, die aus dem grünen Sandelholzstab auf der Packung wie Föhnfische unter einer aus der orangenen Atmosphäre des Vordergrunds in das Bild aufsteigenden gelben Sonne dahin schwimmen. Dass es auch noch um den Begriff der Muse geht, kann ebenfalls kein Zufall sein. Denn wie die Box außerdem auf der Vorderseite verrät: <i>Incense creates an elegant mood</i>. Nichts ist für den schöpferischen Prozess wichtiger als eine elegante Stimmung, aus der, wie Nabokov beweist, noch immer die besten Werke entstanden sind. Aber der Text auf der Rückseite geht ja noch weiter: "It's mood fills the room with a sweet scent which becomes an integral part of the residence." Erneut, es geht allein um die Heimstätte, und inwiefern der Duft zu einem essentiellen Bestandteil ihres Wesens wird, davon erzählt dieser Satz. Effektiv wie die Räucherstäbchen auch nahezu fünfzig Jahre nach ihrer Entstehung in den Fabrikhallen der <i>Nippon Kodo Co. Ltd.</i> am heutigen Nachmittag mein Arbeitszimmer mit einer Fülle des Wohlgeruchs bereicherten, sind sie ein Denkmal für sich selbst, das der Zeit standgehalten hat, ein Anachronismus der Haltbarkeit und, am Ende, wie sollte es anders sein, in Lettering und Farbwahl sogar ein Spiegel meiner Ausgabe des Standardwerks der japanischen Ästhetik, dem<i> Wabi-Sabi for Artists, Designers, Poets & Philosophers</i>. Wobei in dem Untertitel, der sich so bescheiden an vier verschiedenen Berufsgruppen wendet, möglicherweise als Pointe versteckt ist, dass jeder gute Künstler, egal welcher Disziplin er angehört, idealiter alle in sich vereint: Jeder Künstler ist ein Gestalter, häufig Philosoph und immer auch Poet. Jedenfalls in Japan.</div>
EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-38882261104867980122016-01-09T18:06:00.000-08:002016-01-10T03:20:16.643-08:00An der Wand, Montigny-sur-Avre, Normandie, France<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://2.bp.blogspot.com/-4VKKcxy5pPw/VpGt4l4q_JI/AAAAAAAAAM8/nqpweYIKUVE/s1600/IMG_1105.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="http://2.bp.blogspot.com/-4VKKcxy5pPw/VpGt4l4q_JI/AAAAAAAAAM8/nqpweYIKUVE/s320/IMG_1105.jpg" width="238" /></a></div>
Seit einem Spontankauf bei Chemins D'orient hängt bei mir in Frankreich ein merkwürdiger Papyrus an der Wand, der mir unentwegt Rätsel aufgibt. Zunächst einmal der Preis: 70 Euro. Wer nicht weiß, dass es sich bei dem Brocante am Rande der Haute Normandie um ein nahezu in Selbstaufopferung betriebenes Unternehmen zweier Bohemiens handelt, die, dem glücklichen Lächeln und den mit Blut unterlaufenen Augen nach zu schließen, tagein tagaus ordentlich dem Haschisch zusprechen, würde bei einem solchen Preis aufhören, über Herkunft, Authentizität und Wert nachzudenken. Da ich aber seit langer Zeit zu den Stammkunden der fröhlichen Gesellen gehöre und eigentlich bisher bei jedem Besuch ein Kleinod gekauft habe, hat die Höhe der Summe, die sie für das in Schwarzgold gerahmte Bild (aber ohne Glas) wollten, wenig mit der Evaluation des Stücks zu tun. Gerahmt wurde es in Paris, von der Handschrift auf der Rückseite zu schließen etwa Anfang der Fünfziger Jahre, was auch zum Stil des Rahmens passen würde. Die Echtheit des Materials steht für mich ausser Zweifel, auch wenn die von Naturfasern durchzogene Fläche am Boden (oben in dem auf das Motiv konzentrierten Ausschnitt nicht zu sehen) schwarz angeschimmelt ist und so eine eventuell vorhandene Signatur der unsachgemäßen Lagerung zum Opfer gefallen ist. Das Stück mutet archaisch an, ob es sich um eine Kopie handelt, die dem Kunstgeschmack des frühen zwanzigsten Jahrhunderts geschuldet ist, der sich nach Ursprünglichem und Exotischen verzehrte, kann ich nicht sagen, da die seither vergangene Zeit so an dem Papyrus genagt hat, dass man nicht mehr auf den ersten Blick sagen kann, ob das nun jenes vielbeschworene <i>museum piece</i> ist, nach dem jeder Sammler sein Leben lang sucht, oder einfach nur ein altes Stück Papier, das man geschickt präpariert hat. Am Ende spielt es auch gar keine Rolle, weil die viel wichtigere Frage die nach dem Inhalt ist. Da ist vor allem ein Baum mit Wurzeln und zwei blühenden Ästen zu sehen, darunter eine Art Schmetterling, ein Vogel und ein Stock, der sowohl Stock als auch Zauberstab sein könnte, in seiner Zuspitzung sogar ein Speer, mit dem man auf Jagd geht. Das ordnende Auge will sofort einen Zusammenhang herstellen, wegen der Gruppierung gar einen Kreislauf, der damit beginnen könnte, dass der Baum das Holz für den Speer spendet, mit dem wiederum die Jagd auf den Vogel ermöglicht wird, der sich wiederum seinerseits von dem Wurm bzw. der Larve ernährt, aus welcher der Schmetterling sich entpuppt, der zu den Blüten an den Ästen des Baums fliegt etcetera. Nur der Mensch, der den Speer fabriziert fehlt, er könnte aber dank seiner Aussparung auch eine subtile Metapher für den abwesenden Gestalter des Bildes sein, der uns diesen wunderbaren Kreislauf des Lebens auf Papyrus gezeichnet hat, mit wenigen einfachen, fast groben Strichen, die dafür aber umso ästhetischer in ihrer Reduktion das Wesentliche zu fassen verstehen. Die Nachricht, die uns der Künstler mit seiner Abwesenheit als geistigem Ausdruck der Handschrift senden will, ist so schlicht wie profund: Auf mich kommt es nicht an, sondern allein auf die erhabene Schönheit des Dargestellten. Nach so einem noblen Selbstverständnis kann man heute lange suchen.EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-1266757874307163382016-01-08T17:08:00.001-08:002022-03-30T04:39:33.805-07:00Auf dem Thumsee, Bad Reichenhall, Deutschland<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://3.bp.blogspot.com/-DrmQydsdOiM/VpBTHclriiI/AAAAAAAAAMs/B8yoR8X4prM/s1600/IMG_2197.jpg" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="240" src="http://3.bp.blogspot.com/-DrmQydsdOiM/VpBTHclriiI/AAAAAAAAAMs/B8yoR8X4prM/s320/IMG_2197.jpg" width="320" /></a></div>
Es mag mit dem Alter zusammenhängen, dass sich unser Geschmack unmerklich verschiebt, was erst dann manifest wird, wenn man anhand eines vertrauten Phänomens auf einmal eine andere Reaktion an sich bemerkt. Ist die Dingwelt der Jugend noch magisch mit Emotionen aufgeladen, so will das Alter sie lieber präzise, nützlich und von einer nahezu sich selbst auflösenden Zurücknahme an Form. Der opulente Bienenkorb einer mit Bildern, Zetteln und Kram vollgestopften Brieftasche weicht irgendwann dem mühelosen Ensemble aus Geldspange und Kreditkartenhalter, in dem gerade noch Platz für ein Faksimile oder das Passfoto des Sohnes bleibt. Die Landschaft, deren Dramatik früher nicht scharf genug umrissen und exakt sein konnte, scheint auf einmal reizvoller, wenn sie eigentlich ungreifbar ist. Ein See im Nebel, der seine Dimension nicht preisgibt, weil sein Horizont im Grauen verschwindet. Der Berghang, dessen Höhengrat sich nicht abschätzen lässt, weil er von Schneewehen verschluckt wird. Ein Bootssteg, von dem nur ein Pfahl mit Seil übrig geblieben ist, und von dem letzten Endes niemand weiß, ob er je da gewesen ist. Thomas Mann hat einmal eine Erzählung nicht nüchtern, sondern unter dem Einfluss von Champagner verfasst. Sie heißt "Der Kleiderschrank" und endet mit den Worten: "Alles muß in der Luft stehen..." Das gilt unbedingt auch für die Landschaft hier.EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-34968456468748428142016-01-07T16:00:00.001-08:002023-03-31T11:16:28.667-07:00Vor meinem ehemaligen Wohnhaus, Bergen-Enkheim, Deutschland<div style="text-align: center;">
<span id="goog_420306415"></span><span id="goog_420306416"></span><a href="http://3.bp.blogspot.com/-T9MwjQbJzgw/Vo7i3MMm9zI/AAAAAAAAAMg/sM-7XYg5MHA/s1600/IMG_1127.jpg"><img border="0" height="240" src="http://3.bp.blogspot.com/-T9MwjQbJzgw/Vo7i3MMm9zI/AAAAAAAAAMg/sM-7XYg5MHA/s320/IMG_1127.jpg" width="320" /></a><br />
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Wer bewusst und wachen Auges durch sein Leben geht, sieht die unglaublichsten Dinge. Es muss etwas mit der früh erlernten Malbewegung zu tun haben, die aus zwei geschwungenen Bogen ein abgerundetes Symbol der Liebe formt, dass uns diese Umrisse, wo auch immer sie denn auftauchen, unmittelbar in ihren Bann ziehen. Dieses obskure Pilzgebilde entstand im ziemlich feuchten Oktober des letzten Jahres direkt im Eingangsbereich des Bungalows, den ich seit Februar bewohnt hatte. Die Villa, wie meine Schulfreundin das Haus, das ihre Eltern Ende der 60er Jahre von einem bekannten Architekten bauen liessen, gerne nennt, um sich ein wenig über den subtilen Dünkel des Anwesens lustig zu machen, ist an einen Hang gebaut und grenzt direkt an ein wunderbares Naturschutzgebiet mit Streuobstwiesen. Ich hatte das Haus am Hang von meinen nachmittäglichen Besuchen als Schüler in schönster Erinnerung, weil ich meiner Freundin immer ein "Gastgeschenk" mitbrachte, meistens eine Tafel Milka. Dann lasen wir gemeinsam in Goldmann Kriminalromanen, die wir beim Lesen mit amüsanten Anmerkungen versahen. Jedesmal, wenn der andere das Buch hatte, konnte man es kaum erwarten, die neuen Eintragungen zu lesen. Da sie zeichnerisch sehr talentiert war, machte sie zum Beispiel eine kleine Skizze davon, wie sie sich den Cocktail "Highballs" bildlich vorstellen würde. Aus dem hohen Glas sprangen tatsächlich zwei Bälle davon, zur Verwunderung des trinkenden Paars, das sich eben noch zugeprostet hatte. Bei meinen Besuchen traf ich ihren Vater immer im unteren Teil des loftartigen Wohnraums beim Lesen der Zeitung auf seinem Lieblingssessel an, von wo aus er mir freundlich winkte, mit einer Zigarette in der Hand, wenn ich mich richtig entsinne. Ihr Vater fuhr Jaguar, die Mutter ein weißes Peugeot-Cabriolet. Nach dem Abitur hatten wir uns ziemlich lange aus den Augen verloren, bis ich für einen befreundeten Fotografen ein modernes Haus suchen sollte, in dem man die eine oder andere Produktion bewerkstelligen konnte. Daraus wurde nichts, dafür zog ich einige Zeit später selbst in das Haus, weil ich inzwischen wieder in Frankfurt arbeitete. Erst nach dem Einzug fiel mir auf, wie dunkel es die meiste Zeit im Haus war und woran das lag: Der Architekt hatte nach der lichten Westseite im gesamten Erdgeschoss nur einen hauchdünnen Milchglasstreifen integriert und so das Tageslicht nach Zwölf Uhr Mittags weitestgehend verbannt. Zum Frühstück sass man zwar in strahlendem Sonnenschein, das Enkheimer Ried und Hangwiesen im Angesicht, dafür überkam einen später, am Nachmittag, stets eine traurige Schwere, die anhielt, bis es dunkel genug war, endlich die Lichter im Haus anzuschalten und so die unvorteilhafte bedrückende Schattenseite des Hauses so schnell wie möglich zu vergessen. Dass es der defekte Duschkopf einer Badewanne sein sollte, und somit eine mit Naturgewalt über das alte Haus hereinbrechende Feuchtigkeit, die meine Zeit in den Gemäuern der Vergangenheit jäh beendete, macht die metaphorische Bedeutung des Pilzherzens vor dem Gartentor noch komplexer. Die Aufnahme hatte ich unmittelbar vor einer Nordamerika-Reise meiner Familie gemacht, und ist, von heute aus gesehen, sozusagen der letzte Zeuge des unberührten Zustandes, in dem sich das Haus vor unserer Abreise befand. Die Nostalgie, für die jene natürliche Skulptur steht, ist letzten Endes der Motor all meines kreativen Schaffens.</div>
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EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-1384039781400923432016-01-06T16:34:00.000-08:002016-01-10T03:10:51.667-08:00In den ersten Stunden des magischen Jahres 2016<div style="text-align: center;">
<a href="http://4.bp.blogspot.com/-8gStVa83-qM/Vo2yaNwErjI/AAAAAAAAAMQ/btcQaVyKnHU/s1600/IMG_2076.jpg" imageanchor="1"><img border="0" height="320" src="http://4.bp.blogspot.com/-8gStVa83-qM/Vo2yaNwErjI/AAAAAAAAAMQ/btcQaVyKnHU/s320/IMG_2076.jpg" width="220" /></a></div>
Man muss nicht ausgesprochen numerisch interessiert sein, um die besondere Konstellation des 6.1.16 zu bemerken und dementsprechend frenetisch zu begrüßen. Ich kann mich der Magie des Spiegelbilds nie entziehen: Ob es der zufällige Rechnungsbetrag eines Tankstellenbesuchs ist, der nicht nur das übliche, manisch kalkulierte Ergebnis der auf Null gerundeten zu bezahlenden Menge an Super Plus ist, bei der man noch im Blick auf die rasenden Flatterblätter der Benzinanzeige den üblichen Centbonus der ADAC-Karte im Kopf behalten muss, um nicht doch unversehens über das gewünschte Zahlziel hinauszuschießen. Und zu dem dann doch ganz zufällig die zusätzlich bestellten Kaffees, Brezeln und Schokocroissants plötzlich einen Betrag wie 56,65 Euro ergeben. Nein, heute war selbst die Wartenummer auf dem Bürgeramt in Bergen eine symbolische Freudequelle, denn die 43 ist nichts anderes als die Geschwisterzahl von Hans Castorps Zimmernummer 34 auf Thomas Manns Zauberberg. Aber immer der Reihe nach. Die sieben Jahre im Sanatorium Berghof sind ja in der Quersumme der Zimmernummer des Hamburger Bürgersohns bereits angedeutet und so auch der Grund dafür, warum ich den Beginn dieses Jahres so begeistert begehe: endlich also nun die 16. Das lange Warten auf eine rein äußerliche Stimulanz, um endlich zum Wesentlichen zu gelangen hat ein Ende. Sich selbst den Spiegel vorzuhalten wie es der Schauspieler Christoph Eichhorn es in Hans W. Geissendörfers formidabler Verfilmung des Romans vormacht, wenn er sich im runden Taschenglas von schräg unten betrachtet und dabei verzerrt angrimassiert, um auszusehen wie ein Moribunder und auf diese Weise wenigstens in der Mimikry zu einem von ihnen zu werden, den bewunderten Todgeweihten, vom Wahnsinn gezeichneten – genau so werde ich es halten und Buch dazu führen.EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-53930588968964046512013-03-05T02:37:00.000-08:002016-01-06T15:42:16.943-08:00Auf den Sleeping Bear Dunes, Glen Arbor, Michigan, USA<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://4.bp.blogspot.com/-rdR6iAis0Jo/UTW2w1dmmiI/AAAAAAAAAKM/lV48uI-jFu0/s1600/Father+Son.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="239" src="http://4.bp.blogspot.com/-rdR6iAis0Jo/UTW2w1dmmiI/AAAAAAAAAKM/lV48uI-jFu0/s320/Father+Son.jpg" width="320" /></a></div>
In symbolisch aufgeladenen Momenten gleicht das Leben dem Betrachten eines intelligent gemachten Films. Es gibt sozusagen metaphorische Rätsel auf, die durch geschärfte Beobachtung zu lösen sind. Auf dem Rückweg von der majestätisch steil abfallenden Dünenkante am Lake Michigan, die von den Ureinwohnern Amerikas, den Indianern, in unvergleichlich poetischer Schönheit als <i>Schlafender Bär</i> bezeichnet wurde, fiel mir, barfuß laufend, auf, dass mein Sohn James, während ich vor dem Erreichen des Dünengrats meine Schuhe noch anbehalten hatte, wohl bereits ohne störende Fußbekleidung den feinen Sand gespürt hatte und begeistert zum Kliff gelaufen war. Denn als ich zufällig die Abdrücke seiner in die entgegengesetzte Richtung weisenden Fußspur beim Blick nach unten entdeckte, sah ich, dass wir unsere Schritte auf dem gleichen Pfad in nahezu identischem Abstand voneinander gesetzt hatten, wobei sich der Abstand unserer Füße, wie in einer Parabel, zunächst annäherte und dann wieder entfernte. Am Scheitelpunkt entstand so der Abdruck eines seltsamen Hybridwesens, das mit zwei verschieden großen Füßen gleichzeitig in zwei Richtungen unterwegs gewesen sein musste. Noch dazu war durch die außerordentliche Feinheit des Sandes ein bildhauerischer Effekt entstanden, als ob nicht die Füße vertiefte Spuren im Sand hinterlassen hätten, sondern die Erde den Abdruck <i>ex negativo</i> nach oben ausgeformt habe. Das dadurch entstandene Relief, für das ich seit dem Moment, da es mir auffiel und ich es fotografierte, bis heute keine schlüssige Auflösung gefunden habe, ist so zum Bild einer Metapher, die über mein Verständnis hinausgeht, schlechthin geworden, deren Schönheit auch darin besteht, Ausdruck des Restes an Geheimnis in unserer Existenz zu sein, der sich nie erschließen wird.EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-17095193952910414762013-02-26T00:40:00.001-08:002013-02-26T00:40:52.806-08:00Auf dem Weg zum Lake Michigan, Glen Arbor, USA<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://2.bp.blogspot.com/-OCPe7lSpp04/USxyHF69rPI/AAAAAAAAAJ8/XxOvRDR3ZVg/s1600/2013.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="238" src="http://2.bp.blogspot.com/-OCPe7lSpp04/USxyHF69rPI/AAAAAAAAAJ8/XxOvRDR3ZVg/s320/2013.jpg" width="320" /></a></div>
Botschaften an die Nachwelt können im Idealfall eine <i>summa</i> der Lebenserkenntnis ziehen und dienen dann dazu, den Überlebenden einen Sinn dafür zu verleihen, was in ihrer Macht steht, um unsere Existenz auf der Erde etwas angenehmer zu gestalten.EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-86496736437453927822012-10-15T14:21:00.000-07:002012-10-15T14:21:30.105-07:00Aus dem Kaminholzkorb, Montigny-sur-Avre, France<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://2.bp.blogspot.com/-wVaBHm5-rlE/UHxkiIYbIjI/AAAAAAAAAFg/LY6CEGAcy9o/s1600/Birch.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="http://2.bp.blogspot.com/-wVaBHm5-rlE/UHxkiIYbIjI/AAAAAAAAAFg/LY6CEGAcy9o/s320/Birch.jpg" width="240" /></a></div>
Hat man das tägliche Leben erst einmal in seiner symbolischen Tiefenschärfe begriffen, nimmt es auch nicht mehr Wunder, wenn beiläufig beim Öffnen eines Feuerholznetzes entstandene Schraffuren sich als perfekt eingeritzte arabische Ziffern entpuppen. Dass beispielsweise die heute auf einem Birkholzscheit gefundene Eins nicht nur dank der Adresse des Elternhauses (Im Rosenträger 1) eine wesentliche Rolle für meine Existenz gespielt hat, war mir nie bewußt, bis ich sie in nahezu perfekter Mimesis der Hausnummer, die, wenn ich mich recht entsinne, links von der Haustür von Großmutter Emilie in Schwarz an der weissen Wand angebracht worden war, heute auf dieser vergleichslos schönen Birkenrinde wiederfand. Birken überhaupt: Immer im Plural, fast stets als kleiner, lichter, niemals dunkler Wald gedacht und empfunden, so wie auf den Bildern des von mir bewunderten schwedischen Künstlers Carl Larsson, der sie immer so ausnehmend elegant dargestellt hat als wären sie wahl- und wesensverwandt mit seiner feingliedrigen Frau Karin Bergöö. Es gibt im Sommer kaum ein erfüllenderes Geräusch als leichter Wind, der durch Birken geht. Äquivalent in der Sprachwelt zu diesem seltenen Wohlklang wäre das Flüstern, oder das lautmalerisch nahe Wispern; ein lichter heller Klang, den man sich idealiter in Larssons unendlicher Mittsommernacht <i>en plein air</i> vorstellen will. Muss ich noch erwähnen, dass im Garten meiner Kindheit bis heute eine stattliche Birke steht?<br />
<br />EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-22727888973836736072012-10-02T15:50:00.000-07:002012-10-02T15:50:05.162-07:00Auf dem Zeitungsausschnittsstapel, Montigny-sur-Avre, France<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://4.bp.blogspot.com/-FcXs0NVhj7c/UGtrO6VAKSI/AAAAAAAAAFQ/rBetIVzlPgA/s1600/TheIvyLeague.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="http://4.bp.blogspot.com/-FcXs0NVhj7c/UGtrO6VAKSI/AAAAAAAAAFQ/rBetIVzlPgA/s320/TheIvyLeague.jpg" width="255" /></a></div>
Es ist vielleicht nur ein bestimmtes Licht auf alten Fotografien, das für all die Momente verantwortlich zeichnet, in denen wir uns <i>stante pede</i> in Bildnisse verlieben und jede noch so lebendige Gegenwart sofort, ohne einen Augenblick zu zögern, eintauschen würden, um ein Teil jener toten Vergangenheit zu werden, die sich durch eine Schönheit auszeichnet, welche unsere Zeit nie mehr zu erreichen im Stande ist.<br /><br />EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-11509428129225671302012-09-28T15:13:00.001-07:002012-09-28T15:13:55.480-07:00Auf dem Arbeitstisch, Montigny-sur-Avre, France<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://4.bp.blogspot.com/-sneLNYc2Bb8/UGYgmQEmH0I/AAAAAAAAAFA/bL9MjzbfZOo/s1600/charles-barsotti-fusilli-you-crazy-bastard-how-are-you-new-yorker-cartoon.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="240" src="http://4.bp.blogspot.com/-sneLNYc2Bb8/UGYgmQEmH0I/AAAAAAAAAFA/bL9MjzbfZOo/s320/charles-barsotti-fusilli-you-crazy-bastard-how-are-you-new-yorker-cartoon.jpg" width="320" /></a></div>
In ganz seltenen Momenten durchflutet allumfassende Heiterkeit mein Gemüt, und meistens hat die in jeder Hinsicht schwer erreichbare Zeitschrift <i>The New Yorker</i> damit zu tun.<br /><br />EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-59785976284478265002012-09-17T14:48:00.000-07:002012-09-18T11:17:02.253-07:00Auf dem Wanderweg nach Muktinath, Kagbeni, Nepal<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://1.bp.blogspot.com/-A8Nu-hZuS-Y/UFeXLajnqVI/AAAAAAAAAEw/YQTxhThxl6c/s1600/Kagbeni.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="240" src="http://1.bp.blogspot.com/-A8Nu-hZuS-Y/UFeXLajnqVI/AAAAAAAAAEw/YQTxhThxl6c/s320/Kagbeni.jpg" width="320" /></a></div>
Beim gelegentlichen Durchforsten alter Bildarchive im Programm iPhoto sind es immer wieder die vollends rätselhaften Aufnahmen allein, die meine Aufmerksamkeit erregen. So ist mir zum Beipiel absolut schleierhaft, wie es zu der Situation an diesem Tisch kommen konnte. Was hat der Junge für eine weisse Stange im Mund und wie ist diese mit den Serviettenkelch verbunden? Warum sinkt die Frau dort lachend nieder? Ist das mein Bier links im Bild, das ich nicht auszutrinken vermochte? Was sucht die Speisekarte nach dem Essen noch auf dem Tisch (ich kann mich nur erinnern, aus Angst vor Magenverstimmung eigentlich gar kein Gericht bestellt zu haben und, mich streng an die durch Jakob Arjouni zum Gemeinplatz gewordene Maxime "Leerer Magen, grosse Not – volles Glas wie Abendbrot" haltend, beim Bier geblieben zu sein). Wem sind die zwei fast leeren Gläser Apfelsaft zuzuordnen? Waren die Blumen im Gesteck denn echt? Ich werde es alles nie erfahren.EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-78026843278251131582012-09-04T13:27:00.000-07:002012-09-04T13:27:01.957-07:00Vor dem Redaktionsbüro, Hotel Sugat, Kathmandu, Nepal<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://2.bp.blogspot.com/-PXVnB07R9I4/UEZiawLqyrI/AAAAAAAAAEg/BgkcEWRbbpY/s1600/Clarks.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="312" src="http://2.bp.blogspot.com/-PXVnB07R9I4/UEZiawLqyrI/AAAAAAAAAEg/BgkcEWRbbpY/s320/Clarks.jpg" width="320" /></a></div>
Hat man einmal den Schuh fürs Leben gefunden, ergeben sich erst dann wieder ernsthafte Probleme, wenn Freunde und Bekannte auf der Suche nach dem perfekten Fortbewegungsmittel zum gleichen Ergebnis gekommen sind.EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-15816428287781418682012-09-02T14:42:00.000-07:002012-09-18T11:15:40.101-07:00Auf dem Holzfussboden, Ernest Hemingway Home, Key West, Florida, USA<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
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<a href="http://2.bp.blogspot.com/-j2ypod_dLhc/UEPNVFESpXI/AAAAAAAAAEA/bh-3SAaTp7E/s1600/Butterfly.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="300" src="http://2.bp.blogspot.com/-j2ypod_dLhc/UEPNVFESpXI/AAAAAAAAAEA/bh-3SAaTp7E/s400/Butterfly.jpg" width="400" /></a></div>
Wer seine Aufmerksamkeit im Alltag nur lange genug auf vermeintliche Nebensächlichkeiten richtet, entdeckt bald die unglaublichsten Muster ästhetischer Synchronizität in der Natur. Das allsehende Auge will beim Entdecken dieses Schmetterlings natürlich dank seiner Umgebung sofort an einen besonders subtilen Fall von Mimikry denken, während doch allein das Wissen um jenes Phänomen uns die Sinne für die Bedeutsamkeit des Motivs geschärft und den Auslöser der Kamera hat betätigen lassen. Ästhetik kennt keine Unschuld. Und dennoch: die Schönheit eines durchgeistigten Augenblicks.EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-15829606379813134962012-08-26T08:58:00.000-07:002012-08-26T09:00:12.622-07:00Auf dem Heimweg, Shela, Lamu Island, Kenya<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://4.bp.blogspot.com/-G3ot6GV2rVI/UDo8ef8e5rI/AAAAAAAAADs/n0ZUk4AULU0/s1600/Phonebooth.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="400" src="http://4.bp.blogspot.com/-G3ot6GV2rVI/UDo8ef8e5rI/AAAAAAAAADs/n0ZUk4AULU0/s400/Phonebooth.jpg" width="300" /></a></div>
Telefonzellen, in welchem Zustand sie auch sein m<span class="st">ö</span>gen, sind die letzten Tempel einer leider fast schon untergegangenen Fernkommunikationskultur. Sie halten uns von sämtlichen groben Unsitten ab, die durch die Mobilfunkwelt <span class="st">ü</span>ber den sozialen Alltag der Menschheit hereingebrochen sind: Erstens st<span class="st">ö</span>rt der aus einer Zelle telefonierende Mensch niemanden um sich herum, da seine direkte Umgebung durch den Fernsprecher so streng definiert ist wie die Raucherzonen auf Bahnh<span class="st">ö</span>fen durch den Ascheimer in deren Mitte, und, da von weitem sichtbar, so auch problemlos gemieden werden kann. Zweitens telefoniert der Mensch aus der Zelle v<span class="st">ö</span>llig ungest<span class="st">ö</span>rt durch "Anklopfen" oder "Makeln" nur mit einem anderen Teilnehmer, und muss sich, da seine Zeit durch eine Telefonkarte oder M<span class="st">ü</span>nzgeld in der Tasche begrenzt wird, kurz fassen. Zweitens rempelt er nicht, versunken in die bunte Welt seines "Smartphones" (das "smart" darin ist allein ironisch zu verstehen) beim "im Gehen telefonieren" Passanten auf der Strasse an. Drittens findet man in Telefonzellen meistens irgendwo an der Wand, oder in den aus der Ablage elegant hervorzudrehenden Rufnummerverzeichnissen zumeist versteckte Botschaften und Nachrichten aus anderen Leben, in denen diese Telefonzelle einmal eine wenn auch noch so kleine Rolle gespielt hat: f<span class="st">ür den empfindsamen Menschen eine einmalige Chance, die Teilnahmslosigkeit seines auf sich selbst zur</span><span class="st">ückgeworfenen </span><span class="st">Alltags zu durchbrechen und eine Ahnung davon zu bekommen, wie bedeutsam und unabdingbar das Mitgef</span><span class="st">ühl</span><span class="st"> f</span><span class="st">ür die menschlichen Umgangsformen doch ist. Schlussendlich gibt es keinen sch</span><span class="st">ö</span><span class="st">neren Moment als nach dem Ende des Gespr</span>ächs aus der Telefonzelle herauszutreten und wahrhaft frei, leichten Sinnes (auch der Schwere eines tragbaren Telefons in der Tasche enthoben) hinauszuschreiten - telefonisch nicht zu erreichen: ein Souverän, den nichts auf der Welt mehr aufhalten kann. EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-64682474191843514642012-08-15T12:28:00.000-07:002012-08-15T12:28:11.515-07:00Auf dem Bücherregal, Santa Rosa, California, USA<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
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<a href="http://3.bp.blogspot.com/-ojHt9Ii7wUA/UCvyCijbl5I/AAAAAAAAADU/CBQaM9aDc0Y/s1600/Fasan.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="260" src="http://3.bp.blogspot.com/-ojHt9Ii7wUA/UCvyCijbl5I/AAAAAAAAADU/CBQaM9aDc0Y/s320/Fasan.jpg" width="320" /></a></div>
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Ausgestopfte T<span style="font-family: inherit;">iere k<span style="background-color: white; color: #222222; line-height: 16px; text-align: -webkit-auto;">ö</span>nne</span>n unter bestimmten Bedingungen beredter sein als jedes Schweigen. Im Idealfall sind sie dergestalt präpariert, dass der Betrachter, so er nur lange genug in ihre auf den ersten Blick etwas starr blickenden Augen sieht, rasch vergisst, dass es sich um – wortgetreu – nach dem Leben modellierte Kunstfiguren handelt, und alsbald in ein animiertes Zwiegespräch mit Ihnen tritt, das einen in souveräner Manier von dem latenten Vorwurf enthebt, mit sich selbst zu reden.</div>
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<br /></div>
<br />EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-18004762094283931062012-08-12T11:48:00.001-07:002012-08-12T11:48:20.572-07:00In der Schreibtischschublade, Montigny-sur-Avre, France<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://2.bp.blogspot.com/-XBfuAFgtp6c/UCf4LQBt5gI/AAAAAAAAACk/KX3JEWAnGgs/s1600/Stein.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="240" src="http://2.bp.blogspot.com/-XBfuAFgtp6c/UCf4LQBt5gI/AAAAAAAAACk/KX3JEWAnGgs/s320/Stein.jpg" width="320" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
Mit zunehmendem Alter verliert sich fast automatisch das Interesse an von Menschen gemachter Kunst mit der gleichzeitig auftretenden Erkenntnis, dass Fundstücke am Wegesrand sowie die Art und Weise, wie diese <i>en passant </i>von der Natur selbst im Laufe der Zeit gestaltet werden, von einer Schönheit geprägt sind, die der bewusste Schöpfungsprozess nie erreichen wird.</div>EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-88493142664669433132012-08-11T12:02:00.002-07:002012-08-11T12:02:40.573-07:00Auf dem Hotelzimmertisch, New York, USA<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://4.bp.blogspot.com/-p5ElIDFEmbI/UCapwXNpUBI/AAAAAAAAACU/jvUsM7Cgnbc/s1600/Fisch.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="240" src="http://4.bp.blogspot.com/-p5ElIDFEmbI/UCapwXNpUBI/AAAAAAAAACU/jvUsM7Cgnbc/s320/Fisch.jpg" width="320" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
Während ein Grossteil der Welt sich den Kopf zerbricht, was Kleinkinder auf Reisen zur sinnvollen Unterhaltung dienen kann, von einfallslosen Notlösungen wie Videospielen oder Kinderkanal einmal abgesehen, findet sich unter der Rubrik "Child Entertainment" im Index des Soho Grand folgende vorbildliche Idee: ein lebendes Tier, das auf Wunsch vom Room-Service im Zimmer bereitgestellt wird. </div>EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3205310576041650821.post-82866439317471948492012-08-10T12:36:00.002-07:002012-08-10T12:41:14.521-07:00An der Anlegestelle, Lamu Island, Kenya<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://4.bp.blogspot.com/-CxrIHuNGy-Q/UCVe85-vqqI/AAAAAAAAACE/b4anOdG8rUw/s1600/T-Shirt.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="293" src="http://4.bp.blogspot.com/-CxrIHuNGy-Q/UCVe85-vqqI/AAAAAAAAACE/b4anOdG8rUw/s320/T-Shirt.jpg" width="320" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
<span style="font-family: inherit;">Weil fast alles, was man in der <span style="background-color: white; line-height: 19px; text-align: -webkit-auto;">Öffentlichkeit</span> gemeinhin lesen kann (Zeitungen eingeschlossen) oder muss, aus Unwahrheiten oder aufgeblasenen Belanglosigkeiten besteht, ist es umso erfreulicher, in der Fremde auf einleuchtende Sätze zu stossen, die an überraschender Stelle auftauchen und nachhaltig zum Denken anregen.</span></div>
<br />EHNhttp://www.blogger.com/profile/05788410854421584947noreply@blogger.com1