Auf dem Heimweg, Shela, Lamu Island, Kenya
Telefonzellen, in welchem Zustand sie auch sein mögen, sind die letzten Tempel einer leider fast schon untergegangenen Fernkommunikationskultur. Sie halten uns von sämtlichen groben Unsitten ab, die durch die Mobilfunkwelt über den sozialen Alltag der Menschheit hereingebrochen sind: Erstens stört der aus einer Zelle telefonierende Mensch niemanden um sich herum, da seine direkte Umgebung durch den Fernsprecher so streng definiert ist wie die Raucherzonen auf Bahnhöfen durch den Ascheimer in deren Mitte, und, da von weitem sichtbar, so auch problemlos gemieden werden kann. Zweitens telefoniert der Mensch aus der Zelle völlig ungestört durch "Anklopfen" oder "Makeln" nur mit einem anderen Teilnehmer, und muss sich, da seine Zeit durch eine Telefonkarte oder Münzgeld in der Tasche begrenzt wird, kurz fassen. Zweitens rempelt er nicht, versunken in die bunte Welt seines "Smartphones" (das "smart" darin ist allein ironisch zu verstehen) beim "im Gehen telefonieren" Passanten auf der Strasse an. Drittens findet man in Telefonzellen meistens irgendwo an der Wand, oder in den aus der Ablage elegant hervorzudrehenden Rufnummerverzeichnissen zumeist versteckte Botschaften und Nachrichten aus anderen Leben, in denen diese Telefonzelle einmal eine wenn auch noch so kleine Rolle gespielt hat: für den empfindsamen Menschen eine einmalige Chance, die Teilnahmslosigkeit seines auf sich selbst zurückgeworfenen Alltags zu durchbrechen und eine Ahnung davon zu bekommen, wie bedeutsam und unabdingbar das Mitgefühl für die menschlichen Umgangsformen doch ist. Schlussendlich gibt es keinen schöneren Moment als nach dem Ende des Gesprächs aus der Telefonzelle herauszutreten und wahrhaft frei, leichten Sinnes (auch der Schwere eines tragbaren Telefons in der Tasche enthoben) hinauszuschreiten - telefonisch nicht zu erreichen: ein Souverän, den nichts auf der Welt mehr aufhalten kann.
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite