Dienstag, 5. März 2013

Auf den Sleeping Bear Dunes, Glen Arbor, Michigan, USA

In symbolisch aufgeladenen Momenten gleicht das Leben dem Betrachten eines intelligent gemachten Films. Es gibt sozusagen metaphorische Rätsel auf, die durch geschärfte Beobachtung zu lösen sind. Auf dem Rückweg von der majestätisch steil abfallenden Dünenkante am Lake Michigan, die von den Ureinwohnern Amerikas, den Indianern, in unvergleichlich poetischer Schönheit als Schlafender Bär bezeichnet wurde, fiel mir, barfuß laufend, auf, dass mein Sohn James, während ich vor dem Erreichen des Dünengrats meine Schuhe noch anbehalten hatte, wohl bereits ohne störende Fußbekleidung den feinen Sand gespürt hatte und begeistert zum Kliff gelaufen war. Denn als ich zufällig die Abdrücke seiner in die entgegengesetzte Richtung weisenden Fußspur beim Blick nach unten entdeckte, sah ich, dass wir unsere Schritte auf dem gleichen Pfad in nahezu identischem Abstand voneinander gesetzt hatten, wobei sich der Abstand unserer Füße, wie in einer Parabel, zunächst annäherte und dann wieder entfernte. Am Scheitelpunkt entstand so der Abdruck eines seltsamen Hybridwesens, das mit zwei verschieden großen Füßen gleichzeitig in zwei Richtungen unterwegs gewesen sein musste. Noch dazu war durch die außerordentliche Feinheit des Sandes ein bildhauerischer Effekt entstanden, als ob nicht die Füße vertiefte Spuren im Sand hinterlassen hätten, sondern die Erde den Abdruck ex negativo nach oben ausgeformt habe. Das dadurch entstandene Relief, für das ich seit dem Moment, da es mir auffiel und ich es fotografierte, bis heute keine schlüssige Auflösung gefunden habe, ist so zum Bild einer Metapher, die über mein Verständnis hinausgeht, schlechthin geworden, deren Schönheit auch darin besteht, Ausdruck des Restes an Geheimnis in unserer Existenz zu sein, der sich nie erschließen wird.

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