Sonntag, 26. August 2012

Auf dem Heimweg, Shela, Lamu Island, Kenya

Telefonzellen, in welchem Zustand sie auch sein mögen, sind die letzten Tempel einer leider fast schon untergegangenen Fernkommunikationskultur. Sie halten uns von sämtlichen groben Unsitten ab, die durch die Mobilfunkwelt über den sozialen Alltag der Menschheit hereingebrochen sind: Erstens stört der aus einer Zelle telefonierende Mensch niemanden um sich herum, da seine direkte Umgebung durch den Fernsprecher so streng definiert ist wie die Raucherzonen auf Bahnhöfen durch den Ascheimer in deren Mitte, und, da von weitem sichtbar, so auch problemlos gemieden werden kann. Zweitens telefoniert der Mensch aus der Zelle völlig ungestört durch "Anklopfen" oder "Makeln" nur mit einem anderen Teilnehmer, und muss sich, da seine Zeit durch eine Telefonkarte oder Münzgeld in der Tasche begrenzt wird, kurz fassen. Zweitens rempelt er nicht, versunken in die bunte Welt seines "Smartphones" (das "smart" darin ist allein ironisch zu verstehen) beim "im Gehen telefonieren" Passanten auf der Strasse an. Drittens findet man in Telefonzellen meistens irgendwo an der Wand, oder in den aus der Ablage elegant hervorzudrehenden Rufnummerverzeichnissen zumeist versteckte Botschaften und Nachrichten aus anderen Leben, in denen diese Telefonzelle einmal eine wenn auch noch so kleine Rolle gespielt hat: für den empfindsamen Menschen eine einmalige Chance, die Teilnahmslosigkeit seines auf sich selbst zurückgeworfenen Alltags zu durchbrechen und eine Ahnung davon zu bekommen, wie bedeutsam und unabdingbar das Mitgefühl für die menschlichen Umgangsformen doch ist. Schlussendlich gibt es keinen schöneren Moment als nach dem Ende des Gesprächs aus der Telefonzelle herauszutreten und wahrhaft frei, leichten Sinnes (auch der Schwere eines tragbaren Telefons in der Tasche enthoben) hinauszuschreiten - telefonisch nicht zu erreichen: ein Souverän, den nichts auf der Welt mehr aufhalten kann.

Mittwoch, 15. August 2012

Auf dem Bücherregal, Santa Rosa, California, USA

Ausgestopfte Tiere können unter bestimmten Bedingungen beredter sein als jedes Schweigen. Im Idealfall sind sie dergestalt präpariert, dass der Betrachter, so er nur lange genug in ihre auf den ersten Blick etwas starr blickenden Augen sieht, rasch vergisst, dass es sich um – wortgetreu – nach dem Leben modellierte Kunstfiguren handelt, und alsbald in ein animiertes Zwiegespräch mit Ihnen tritt, das einen in souveräner Manier von dem latenten Vorwurf enthebt, mit sich selbst zu reden.


Sonntag, 12. August 2012

In der Schreibtischschublade, Montigny-sur-Avre, France

Mit zunehmendem Alter verliert sich fast automatisch das Interesse an von Menschen gemachter Kunst mit der gleichzeitig auftretenden Erkenntnis, dass Fundstücke am Wegesrand sowie die Art und Weise, wie diese en passant von der Natur selbst im Laufe der Zeit gestaltet werden, von einer Schönheit geprägt sind, die der bewusste Schöpfungsprozess nie erreichen wird.

Samstag, 11. August 2012

Auf dem Hotelzimmertisch, New York, USA

Während ein Grossteil der Welt sich den Kopf zerbricht, was Kleinkinder auf Reisen zur sinnvollen Unterhaltung dienen kann, von einfallslosen Notlösungen wie Videospielen oder Kinderkanal einmal abgesehen, findet sich unter der Rubrik "Child Entertainment" im Index des Soho Grand folgende vorbildliche Idee: ein lebendes Tier, das auf Wunsch vom Room-Service im Zimmer bereitgestellt wird. 

Freitag, 10. August 2012

An der Anlegestelle, Lamu Island, Kenya

Weil fast alles, was man in der Öffentlichkeit gemeinhin lesen kann (Zeitungen eingeschlossen) oder muss, aus Unwahrheiten oder aufgeblasenen Belanglosigkeiten besteht, ist es umso erfreulicher, in der Fremde auf einleuchtende Sätze zu stossen, die an überraschender Stelle auftauchen und nachhaltig zum Denken anregen.

Vor dem Nachbarhaus, Shela Village, Lamu Island, Kenya

Münzgeld jedweder Art sollte man bei der ersten Gelegenheit, es sinnvoll in den Lebenskreislauf anderer Menschen zu übereignen, aus der Hosentasche entfernen.